Gibt es eine „alarmierende“ Ausbreitung rechtsextremer Einstellungen in der Bevölkerung?

Widersprüchliche Befunde, offene Fragen und die Corona-Zeit als Sonderfall der Entwicklung

  • Karl-Heinz Reuband
Schlagworte: Mitte-Studie, Rechtsextremismus, Rechtspopulismus, Ethnozentrismus, Repräsentative Bevölkerungsumfragen

Abstract

Der Mitte-Studie der Universität Bielefeld zufolge, die sich auf bundesweite repräsentative Bevölkerungsumfragen stützt, hat sich in der Bevölkerung der Anteil von Personen mit rechtsextremen Einstellungen von 2019 auf 2023 verdreifacht. Dies steht im Gegensatz zu Umfragen des Institut für Demoskopie, die sich in etwa auf den gleichen Zeitraum beziehen und stabile Verhältnisse erbrachten. Und es steht im Gegensatz zu Umfragen von infratest-dimap aus den Jahren 2016 und 2023, die ebenfalls konstante Verhältnisse zeigen. Periodeneffekte, die aus den unterschiedlichen Feldzeiten erwuchsen und zeitlich begrenzt wirkten, stellen eine mögliche Erklärung dar. Nachdem die Zustimmung zu rechtspopulistischen/rechtsextremen Aussagen in der Corona-Zeit zunächst zurückging, stieg sie nach Ende der Pandemie wieder an. Die Veränderungen auf der Indikatorenebene erwiesen sich im Vergleich der Zeit vor und nach der Pandemie dabei als moderat, mit Ausnahme ethnozentrischen Einstellungen, die einem etwas stärkeren Anstieg unterlagen. Von einer „alarmierenden Normalisierung von rechtsextremen Haltungen“ in der deutschen Gesellschaft – wie von manchen Medien unter Bezug auf die Mitte-Studie geschrieben wurde – kann nach den vorliegenden Daten nicht die Rede sein. Dies legt auch die Entwicklung rechtspopulistischer/rechtsextremer Einstellungen im Langzeitvergleich dar.

 

According to the „Mitte-Studie“ run by a research group at the University of Bielefeld  on the basis of nationwide surveys the proportion of people with right-wing extremist attitudes in the population of Germany has increased threefold between 2019 and 2023. This is in contrast to two other survey series, run by the Institut für Demoskopie and by infratest-dimap in the same years respectively in the years 2016 and 2023, which have shown stability rather than change. A close look at the respective indicators of right wing extremist attitudes in all three studies only reveal minor or no changes over time, with ethnocentrisms as an exception. The most likely explanation for the different findings of the surveys on change are period effects arising from the differing field periods of data collection in 2023. Period effects also seem to have an impact during the Corona-crisis when right-wing attitudes lost support for a while until the Corona period ended. Given the available data there is no sign of “normalization” of right-wing extremist attitudes in the population, in contrast to what some media have written. This is also shown by long-term trends.

Veröffentlicht
2023-12-06