Linkskonservativ, linksautoritär, linksnationalistisch?
Sprachliche Wünschelrutengänge um das Bündnis Sahra Wagenknecht
DOI:
https://doi.org/10.24338/mip-2024332-347Schlagworte:
Bündnis Sahra Wagenknecht, BSW, Linkskonservatismus, Linksautoritarismus, Linksnationalismus, Ideologie, PostmaterialismusAbstract
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ist der politische Aufsteiger des Kalenderjahres 2024. Doch wie ist diese neue Kraft ideologisch einzuordnen? Unter den zahlreichen Adjektiven, die derzeit in Wissenschaft und Medien kursieren, stechen drei hervor, die je einen vorgeschalteten Linksverweis mit einem mehr oder weniger starken Kontrastmarker verbinden: linkskonservativ, linksautoritär und linksnationalistisch. Der Beitrag wirft ein analytisches Schlaglicht auf diesen Dreiklang und stellt dabei fest, dass keiner seiner Bestandteile sonderlich passend erscheint. So ist der vermeintliche Linkskonservatismus des BSW vorrangig lebensweltlich strukturiert und erschöpft sich auf der Policy-Ebene in einer Handvoll Positionen, die allenfalls aus Perspektive der radikalen Linken als konservativ gelten können (während gerade in der Gesellschaftspolitik viele konservative Inhalte fehlen). Der Vorwurf des Linksautoritarismus ist ob der Vagheit des Begriffs und der verbreiteten Neigung, ihn mit besagtem Linkskonservatismus gleichzusetzen, noch schwieriger zu untermauern – zumal er dahingehend konterkariert wird, dass das BSW sich selbst explizit gegen autoritäre Tendenzen in Meinungsbildung und Lebensstilgestaltung wendet. Was schließlich den Linksnationalismus anbelangt, so finden sich weder programmatisch noch in den öffentlichen Aussagen der Parteigründerin Hinweise auf eine Zentralstellung der Nation, die über den funktionalen Umstand hinausreicht, dass Wohlfahrt nationalstaatlich organisiert wird. Unter Berücksichtigung dieser und anderer Schwierigkeiten erscheint es angemessen, das BSW schlicht als linke Partei zu führen, die aber nicht postmaterialistisch oder progressistisch verfasst ist. Doch auch wenn man glaubt, dass es für diese Eigenschaftspaarung einer grundlegend neuen Kategorie bedarf, ist jede Form übereilter Labeladaption kritisch zu betrachten.
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